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Emphatie in der Hundehaltung

Wieso siehst du mich nicht?

Oder: Verhätschelt, vermenschlicht, vernachlässigt

Von Empathie und wieso sie so wichtig ist


Als Hundetrainerin geht man mit offeneren Augen durch die Welt, was unsere Vierbeiner anbelangt.
Wo auf der einen Seite über zu viel Vermenschlichung geklagt wird, wird auf der anderen Seite zu wenig Verständnis aufgebracht.
Allein wenn man mal durch die Innenstadt schlendert: da wird ein Chihuahua durch das überfüllte Einkaufszentrum gezerrt, der sich offensichtlich absolut unwohl fühlt.
Oder der Labrador, der auf der Hundewiese von 3 anderen Hunden gehetzt wird, wobei der Besitzer sich über "das schöne Spiel" freut und nicht wahr nimmt, wie gestresst alle vier Hunde sind.
Oft sind es auch nur viel zu kleine Geschirre, würgende Halsbänder oder fragwürdige Erziehungshilfen, die mir das Blut in den Adern gefrieren lassen.
Während viele Trainer diese belächeln, die sich einen Tick zu viel um ihre Hunde kümmern, sorge ich mich vor allem um jene, die die Gefühle ihrer Vierbeiner zu wenig wahr nehmen.

"Was geht da eigentlich in meinem Hund vor?"
Eine Frage, die sich viele Halter stellen. Gerade das "was", "wieso" und "wie" ist unfassbar wichtig. Interesse füreinander ist das A und O im Zusammenleben.
Doch um meinen Hund ein wenig lesen und verstehen zu können, muss ich nicht Hundepsychologie studiert haben.
Am einfachsten ist es, sich die Frage zu stellen "wie würde ich mich fühlen?".
Würde ich gerne durch eine Enge von Riesen gezerrt werden, die mich über den Haufen rennen, weil sie mich nicht sehen?
Würde ich gerne von drei Mitmenschen gejagt werden, die sich gegen mich verbrüdern?
Würde ich gerne ein T-Shirt tragen, das unter den Achseln kneift, oder eine Halskette, die mir die Luft abschnürrt?
Würde ich gerne auf dem nackten Boden schlafen wollen?
Ich bin mir sicher, dass wir alle diese Fragen mit nein beantworten können.
Doch wieso lassen wir unsere Hunde so leben?
Es ist richtig, dass Hunde keine Menschen sind und andere Bedürfnisse haben. Dass sie andere Dinge mögen, oder nicht mögen.
Doch bei Schmerzen, einem angenehmen Liegeplatz und Sicherheit driften wir nicht so weit auseinander

Gestern erst musste ich erleben, wie ein Besitzer seinem Hund ans Ohr griff und dieses drehte, weil sein Hund bellte. Danach kam der Nackengriff. Beides sind Dinge, die die Situation und das Befinden des Hundes einfach nur verschlimmern.
Wenn man fragt, ob einem selbst ein Griff in den Nacken helfen würde, wenn man gerade Angst hat, kommt gleich, dass das immer noch Hunde sind und man das nicht vergleichen kann. Doch! Doch, einiges kann man vergleichen.
Und die Aussage "der muss doch mal merken, wann Schluss ist." zeigt mir, dass der Besitzer eigentlich nur verzweifelt, aber nicht in der Lage ist, sich in seinen Hund hinein zu versetzen.

Gerade als Hundetrainerin bleibt es nicht aus, sich viel mit der Körpersprache auseinander zu setzen. Und auch hier gibt es Parallelen.
Ein gesenkter Blick, geduckte Haltung, aufgerissene Augen, das vermeiden von Blickkontakt.
Schaut euch mal einen Menschen an, der eine Standpauke bekommen hat und einen Hund, der sich unsicher und unwohl fühlt. Gleiches bei Angst oder Erschrecken.
Bei unseren Mitmenschen sind wir meist in der Lage, wahrzunehmen, wie sie sich gerade fühlen - doch wieso sehen wir unsere Hunde nicht?
Diese Frage stelle ich mir immer wieder und ich habe bis heute keine Antwort darauf.
Vielleicht liegt es daran, dass uns immer gesagt wird, wir sollen die Hunde nicht vermenschlichen.
Vielleicht liegt es daran, dass viele das Bild von Lessie und Rex im Kopf haben, die furchtlos sind und für die immer das Befinden der Menschen im Vordergrund stand.
Vielleicht liegt es daran, dass Hunden oft noch immer Gefühle und Emotionen abgesprochen oder kleingesprochen werden.
Ich weiß es nicht.

Ich gehöre wahrlich nicht zur Fraktion "wir streicheln jedes Problem weg". Dazu stehe ich.
Ich gehöre aber absolut zu der Fraktion "achte darauf, was dein Hund dir mitteilt und nimm seine Gefühle ernst!".

Ich verurteile niemanden, der eingesteht, dass er das eine oder andere einfach nicht gesehen hat - das ist okay.
Doch ich appelliere an jeden Besitzer: versucht euch in die Lage eurer Hunde zu versetzen. Schaut euch die Körpersprache an. Nehmt eure Hunde wahr!
Genau so wichtig, wie euer Bauchgefühl, ist das Bauchgefühl eurer Hunde.

Ich bin kein Fan davon, Hunde zu sehr zu verhätscheln und ihnen Entscheidungsfreiheit ohne Grenzen zu gewähren - denn auch das führt zu Überforderung.
Aber auch ohne das zu tun, ist es möglich, auf die Bedürfnisse des Tieres einzugehen.

Gerade im Training sind wir auf Empathie angewiesen. Immer wieder sage ich meinen Kunden "achte auf deinen Hund."
Denn wer seinen Hund lesen und verstehen kann, der kann schwierigen Situationen vorbeugen und weiß, wo der Schuh drückt - manchmal sogar fast wortwörtlich

Empathie ist einfach genau das, worauf ich im Training aufbaue.
Denn nur, wer sich in die Lage seines Hundes hineinversetzen kann, wird auch verstehen können, was der beste Weg ist, um dem Tier aus dieser Lage hinaus zu helfen.

Also:
Habt ein wunderschönes Wochenende und achtet aufeinander!

Der Beitrag darf natürlich gern geteilt, geliked und diskutiert werden

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Anbei ein paar Bilder von recht ausdrucksstarken Hunden.
Das GeschirrBild ist deutlich überzogen und gestellt - danke hierfür an Laura Belz.
Mein Dank für die Fotos geht ebenfalls an Alexander Schillack, Daniela Perkams, Sandra Ostrowski und Vanessa Wolf.

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